„Der Tag“
Tage der Weichenstellung
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Freie Fahrt– oder weitere Streiks? Bahn und Gewerkschaft verhandeln im Tarifkonflikt.
© Quelle: IMAGO/Arnulf Hettrich
Die Tarifverhandlungen zwischen der Deutschen Bahn und der Gewerkschaft EVG liefen bislang eher stockend. Bis morgen aber wollen beide Seiten entscheidend vorankommen. Sind damit weitere Warnstreiks vom Tisch? Was heute wichtig wird, steht im Morgen-Newsletter „Der Tag“.
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Guten Morgen, liebe Leserinnen und Leser,
jeder vierte Zug der Deutschen Bahn sei im Vorjahr zu spät gekommen, hieß es vor längerer Zeit mal in einem Sketch der „heute-show“ – am pünktlichsten seien die Preiserhöhungen zum Jahresende gewesen. Die „ausnahmsweise“ umgedrehte Wagenreihung genießt längst Kultcharakter, der nicht erfolgte Halt in Wolfsburg ist legendär, und auch an Verspätungen haben sich viele Bahnreisende gewöhnt. Doch eine Frage treibt in diesen Tagen selbst hartgesottene Passagierinnen und Passagiere um: Stehen die Weichen wieder auf Streik? Oder kommen wir auf absehbare Zeit fahrplanmäßig ans Ziel?
Für Bahnreisende ist die aktuelle Woche eine weitere spannende: In Fulda verhandelt die Deutsche Bahn seit gestern wieder mit der Eisenbahngewerkschaft EVG über eine Lösung im Tarifkonflikt. Wenn das Verhandlungsteam das Gefühl habe, dass der Arbeitgeber nicht an konstruktiven Verhandlungen interessiert sei, drohten Warnstreiks bis zu einer Urabstimmung mit unbefristeten Streiks, betonte EVG-Verhandlungsführer Kristian Loroch im Vorfeld.
Lorochs Gewerkschaft rief die Vertreterinnen und Vertreter der Arbeitgeber erneut dazu auf, ihre Zugeständnisse nachzuschärfen. Bahn-Personalvorstand Martin Seiler wiederum stellte ein neues Angebot in Aussicht und machte deutlich, dass er in der aktuellen Verhandlungsrunde zu Ergebnissen kommen will. „Wir haben drei Tage Zeit, drei arbeitsreiche Tage, und wir sollten alles daran setzen, hier zu Ergebnissen zu kommen“, sagte Seiler. EVG-Verhandlungsführer Kristian Loroch schien weniger euphorisch: Dass bei der nun vierten Verhandlungsrunde bis einschließlich Donnerstag ein Abschluss gelingt, glaube er nicht. „Aber ich bin optimistisch, dass wir große Schritte vorankommen, die dazu beitragen werden, dass wir zumindest in sehr absehbarer Zeit das Ganze auch in Tarifwerke gießen können.“
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Martin Seiler (Mitte), Personalvorstand bei Deutsche BahnAG, sitzt im Verhandlungsraum in Fulda. Die Tarifpartner verhandeln in der vierten Runde.
© Quelle: Andreas Arnold/dpa
Die Bahn hat bislang eine Inflationsausgleichsprämie sowie eine Tariferhöhung in Stufen von insgesamt 10 Prozent für die unteren und mittleren Einkommen sowie 8 Prozent für die höheren angeboten. Bei einer Laufzeit von 27 Monaten würde die erste Stufe im kommenden Jahr greifen. Die EVG fordert eine Tabellenerhöhung noch 2023.
Werden wir erneut Reisepläne über den Haufen werfen müssen? Werden wieder mehr Leute aufs Auto umsteigen? Während an den vergangenen Streiktagen bei der Bahn das große Chaos größtenteils ausgeblieben schien, sind Fahrgäste angesichts der Unsicherheit zunehmend genervt. Die deutschen Eisenbahnmitarbeitenden befinden sich mit ihren auf den ersten Blick gewaltigen Forderungen jedoch europaweit auf Kurs.
Bahnstreiks – kein deutsches Phänomen
In vielen Ländern gehen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Bahnen, Flughäfen und Fluggesellschaften seit Jahresbeginn immer wieder in den Ausstand. Morgen etwa legen Sicherheitsbeamtinnen und -beamte am Airport London-Heathrow die Arbeit nieder, auch bei den britischen Bahnen drohen nach Pfingsten weitere Streiks. Gewerkschaften in Frankreich haben für den 6. Juni zu einem weiteren landesweiten Streiktag aufgerufen. Der ist in Italien bereits für diesen Freitag vorgesehen. Darüber hinaus droht nach Pfingsten ein Ausstand der italienischen Fluglotsinnen und -lotsen. Und auch in Portugal und Spanien legen Flughafenmitarbeiterinnen und -mitarbeiter beziehungsweise Pilotinnen und Piloten in den nächsten Wochen die Arbeit nieder. In ganz Europa ruckelt sich in Zeiten hoher Inflation das Tarifgefüge zurecht.
Auf europäischer Ebene wurde vor drei Jahren auch eine Reform der Fahrgastrechte geregelt – die in Deutschland nun umgesetzt wird. Vom 7. Juni an bleiben Kundinnen und Kunden auf ihren Kosten sitzen, wenn außergewöhnliche Umstände im Spiel sind. Kommt der Zug mehr als eine Stunde zu spät am Zielbahnhof an, gibt es einen Teil des Reisepreises zurück. Die Ursache für die Verspätung spielte dabei bislang keine Rolle. Doch das ändert sich nun. In etlichen Fällen gibt es künftig kein Recht auf Entschädigung mehr – etwa bei Naturkatastrophen. Auch bei Verspätungen durch Sabotage wie Kabeldiebstahl oder Menschen auf den Gleisen muss die Bahn künftig keine Entschädigung mehr zahlen. Für viele derzeit vielleicht am wichtigsten: Zugausfälle und Verspätungen wegen eines Streiks des Bahnpersonals sind nicht von der Neuerung betroffen. Dafür müssen Bahnen auch weiterhin aufkommen.
Wir wünschen Ihnen einen pünktlichen Start in diesen Tag,
Ihr Michael Pohl
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Der Tag
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Zitat des Tages
„Ich finde das völlig bekloppt, sich irgendwie an ein Bild festzukleben oder auf der Straße.“
Olaf Scholz äußert sich so emotional wie nie zu einem der meistdiskutierten Themen des Landes – das wirkt gewollt und populistisch, meint RND-Redakteur Maximilian König (+). Der Kanzler sollte seiner sachlichen Art treu bleiben, er riskiere mehr als sein Image.
Wer heute wichtig wird
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Soll die Marke Emmentaler auch in der EU geschützt werden? Das fordert die Schweizer Branchenorganisation Emmentaler Switzerland und ist deswegen vor den Europäischen Gerichtshof in Luxemburg gegangen. Zuvor hatte das EU-Amt für geistiges Eigentum (EUIPO) dieses Ansinnen abgelehnt. Für heute wird das Käseurteil erwartet.
© Quelle: dpa-tmn
Termine des Tages
9.45 Uhr: In Leipzig beginnt heute der Weltgipfel der Verkehrsministerinnen und -minister. Teilnehmen sollen neben anderen der britische Verkehrsminister Mark Harper, Bundesverkehrsminister Volker Wissing und ITF-Generalsekretär Young Tae Kim. Zum Kongress werden rund 50 Ministerinnen und Minister mit Verantwortung für Verkehr und Mobilität aus aller Welt sowie Delegierte aus rund 80 Ländern erwartet.
11 Uhr: Die Mitglieder der Deutschen Fußball Liga (DFL) stimmen über den Einstieg von Investoren ab. Konkret geht es darum, Medienverwertungsrechte abzutreten, um frisches Kapital für die Vereine zu generieren. Doch die Fans fürchten um die Clubtraditionen, schreibt Imre Grimm in seinem Text und erzählt die erstaunliche Geschichte von Union Berlin.
18 Uhr: Vor fast genau 25 Jahren wurde am 1. Juni 1998 die Europäische Zentralbank (EZB) gegründet. Dies soll heute mit einem Festakt in Frankfurt am Main gefeiert werden – zugesagt haben unter anderem Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen, die Präsidentin des EU-Parlaments, Roberta Metsola, und EU-Ratspräsident Charles Michel.
Leseempfehlungen
Technik für die Ukraine: Die mit Spannung erwartete Gegenoffensive der Ukraine könnte zu einer militärtechnologischen Lehrvorführung werden: Gestützt auf künstliche Intelligenz kann Kiew effektiver als in allen früheren Kriegen der Geschichte die eigenen Truppen vernetzen – und gegnerische ins Visier nehmen. Verliert Wladimir Putin am Ende gegen eine KI? RND-Chefautor Matthias Koch wagt einen Blick ins weitere Kriegsgeschehen (+).
Schäppchen fürs Eigenheim: Immer wieder kämpfen vor allem Orte in Italien mit Dumpingpreisen gegen den Einwohnerrückgang. Wer sich bereit erklärt, eine Immobilie zu sanieren und dauerhaft einzuziehen, bekommt ein Haus mitunter schon für einen Euro. Mein Kollege Fritz Edelhoff hat sich umgesehen, wo man für solch symbolische Immobilienpreise fündig wird.
Aus unserem Netzwerk: Jäger der gestiegenen Preise
Was wird teurer? Knut Schirrmeister beobachtet das jeden Monat in Hannovers Geschäften. Die Preise für Lebensmittel klettern deutlich stärker als die Inflationsrate allgemein – und nicht immer sind Preiserhöhungen auf den ersten Blick zu entdecken, hat die „Hannoversche Allgemeine Zeitung“ beobachtet (+).
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